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„Kilimanjaro? Hakuna Matata!“ (Kein Problem!)

Das dachte sich unsere Mitarbeiterin Anke Frank und wanderte los. Ein bisschen verrückt war das schon. Anke verrät Details.

Von heute auf morgen hatte ich durch eine TV-Sendung plötzlich die Idee, auf den Kilimanjaro steigen zu müssen. Obwohl ich nicht besonders sportlich bin und auch große Angst vorm Klettern und Herunterfallen habe, ließ mich der Gedanke nicht mehr los. Es dauerte nicht lange, bis ich den für mich optimalen Reiseveranstalter gefunden hatte. Eine professionelle Betreuung und Führung, die auf gute Höhenanpassung achtet, kann fast jeden zum Erfolg führen.

… irgendwie war ich davon überzeugt, dass ich es schaffen werde!

Der Kilimanjaro ist mit seinen 5.895 Metern über dem Meeresspiegel der höchste Berg Afrikas, und die Besteigung ist technisch einfach. Man sollte trittsicher sein und eine Stunde lang joggen können. (Das habe ich aber vorher nicht ausprobiert.) Also ging es los. Mit dem Flieger von Frankfurt via Addis Abeba nach Moshi in Tansania. Dort im Hotel traf ich auf die anderen drei Touristen (Anna, Claudia und Alex), mit denen ich den Berg bezwingen wollte und die offensichtlich genauso verrückt waren wie ich. Oder doch nicht? Ich erfuhr, dass Anna und Claudia Marathonläuferinnen sind. Aber ich beschloss, nicht weiter darüber nachzudenken, denn irgendwie war ich davon überzeugt, dass ich es schaffen werde!

Am nächsten Morgen, nach zwei Stunden Fahrt, kamen wir am Londorossi-Gate (2.050 Meter) an. Dort wurden alle Formalitäten erledigt und das Gepäck gewogen – eine zeitfressende und umständliche afrikanische „Zeremonie“, sehr interessant zu beobachten. Sechzehn Träger mussten in den nächsten Tagen alles für uns schleppen: Unser Gepäck, die Zelte, Stühle, Tische, Essen, Wasser, Küchenequipment usw. Wir hatten nur einen leichten Tagesrucksack auf dem Rücken. Die erste Tagesetappe führte uns dann durch wunderschönen Bergwald zum Camp auf 2.750 Meter. Dort warteten schon gefräßige kleine Äffchen, die es auf unser Essen abgesehen hatten. Na ja, ein bisschen Brot haben wir eingebüßt.

Am Abend war ich knallrot und hatte riesige Blasen auf der Nase ... 

Die nächste Etappe führte uns weitere 750 Meter höher zum Shira Plateau hinauf. Die Landschaft änderte sich gewaltig. Moorland nennt sich die Vegetationszone nun. Es gibt keine schattenspendenden Bäume mehr. Das rächt sich bei einer weißhäutigen Mitteleuropäerin, wie mir, sofort. Ich habe die Phase des gewöhnlichen Sonnenbrandes gleich übersprungen. Die Höhe und die Nähe zum Äquator machen die Sonne sehr gefährlich. Am Abend war ich knallrot und hatte riesige Blasen auf der Nase. Meine Sonnencreme habe ich leider am Frankfurter Flughafen abgeben müssen, weil ich sie im Handgepäck hatte und nicht daran gedacht habe, dass nicht mehr als 100 Milliliter erlaubt sind. Und die afrikanische Sonnencreme, die ich mir im Hotel gekauft habe, war wohl nicht gut.

In den nächsten vier Tagen ging es rauf und immer wieder runter. Man soll hoch steigen und tief schlafen. Eigentlich ist es ja schade um die mühsam erklommenen Höhenmeter, wenn man immer wieder ein Stück absteigen muss. Aber so funktioniert die optimale Höhenanpassung. Und langsam Laufen ist wichtig. Man sollte sich auf keinen Fall zu sehr anstrengen! Der Körper kann sich in der Höhe nicht mehr richtig regenerieren, weil der Sauerstoff fehlt. Deshalb können durchtrainierte Sportler durchaus Probleme bekommen, denn Muskeln brauchen viel Sauerstoff. Diese Probleme hatte ich nicht.

Irgendwann glaubte ich: „Ich kann nicht mehr.“

Am sechsten Tag, gegen Mittag, kamen wir im Barafu Camp auf 4.600 Metern an. Pflanzen wachsen hier keine mehr. Wir sind in der Bergwüste. Es weht ein eisiger Wind. Nachts sinken die Temperaturen unter null Grad. Wir bereiteten uns auf die Gipfelbesteigung vor. Um siebzehn Uhr gab es Abendessen. Danach ging es ins Zelt zum Schlafen. Eine Stunde vor Mitternacht wurden wir geweckt, und es gab Frühstück. Ich habe noch nie Müsli mitten in der Nacht gegessen. Es war kalt. Die Landschaft glitzerte im Schein unserer Stirnlampen. Wir fröstelten, sollten uns aber nicht zu warm anziehen. Beim Laufen wird es schon warm. Schwitzen wäre nicht gut, denn bis zum Gipfel sinkt die Temperatur noch bis auf minus zehn Grad, und es weht ein kalter Wind.

Wir werden in dieser Nacht 1.295 Höhenmeter in sieben Stunden bezwingen. Im Zeitlupentempo ging es vorwärts. Der Kampf gegen die Müdigkeit war schwer. Das Wasser in der Flasche in meinem Rucksack war gefroren. Pause machen wäre gut, aber sofort wurde die Kälte übermächtig. Irgendwann glaubte ich: „Ich kann nicht mehr.“ Da rief plötzlich jemand: „Die Sonne geht auf!“ In dem Moment waren wir am Stella Point  (5.756 Meter) angekommen. Mein persönlicher Gipfel! Ich musste weinen, weil ich so überwältigt war! Bis zum absoluten Gipfel waren es jetzt nur noch ein paar Höhenmeter. Ein Spaziergang in einer verzauberten Landschaft. Es gibt noch ein paar Gletscher dort oben, die in der Sonne herrlich aussehen. Aber bald werden auch sie verschwunden sein. 

Verrückt ist ja, dass man sich nur Gedanken über den Aufstieg macht. Aber runter muss man auch irgendwie.

Als wir dann am Uhuru Peak, so nennt sich der Gipfel des Kilimanjaros, angekommen waren, ging alles ganz schnell. Da waren viele Touristen. Alle wollten ein Foto und dann schnell wieder absteigen. So schön es ist, lange kann ein Mensch dort oben nicht überleben.

Mir war inzwischen auch ein bisschen flau im Magen, und ich hatte leichte Kopfschmerzen.

Verrückt ist ja, dass man sich nur Gedanken über den Aufstieg macht. Aber runter muss man auch irgendwie. Der Abstieg war für mich jedenfalls wesentlich anstrengender. In kürzester Zeit stolperten und rutschten wir über Sand und Geröll ins Barafu Camp zurück. Wir waren todmüde, durften uns dort aber noch nicht ausruhen, nur etwas essen und weiter absteigen bis zum Millenium Camp (3.790 Meter) und dann … endlich schlafen.

Am nächsten Tag ging es weitere 2.000 Meter bergab. Die Oberschenkelmuskulatur freute sich, die Knie nicht so sehr. Am Nachmittag unseres letzten gemeinsamen Tages trafen wir uns alle nochmal im Garten unseres Hotels. Für uns gab es Urkunden, für unsere Reiseleitung und unsere Träger Trinkgeld. Hut ab vor deren Leistung! Sie waren toll und mit Herz und Seele dabei! Übrigens, einer unserer Träger war eine Frau! Grace!!! Ich habe sie mal in die Arme genommen. Sie war kleiner als ich und sehr zierlich. Aber sie hat genauso viel geschleppt, wie die Männer. „Hakuna Matata“ (Kein Problem), sagte sie. Ich dachte nur: „Hakuna Matata? Von wegen!“

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